Vom
Fahrradfahren (oder auch: Wie Kinder lernen) (Celestin Freinet)
Seien
wir ehrlich: wenn man es den Pädagogen überlassen würde, den Kindern das
Fahrradfahren beizubringen, gäbe es nicht viele Radfahrer.
Bevor
man auf ein Fahrrad steigt, muss man es doch kennen, das ist doch grundlegend,
man muss die Teile, aus denen es zusammengesetzt ist, einzeln, von oben bis
unten, betrachten und mit Erfolg viele Versuche mit den mechanischen Grundlagen
der Übersetzung und mit dem Gleichgewicht absolviert haben.
Danach
- aber nur danach! - würde dem Kind erlaubt, auf das Fahrrad zu steigen. Oh,
keine Angst vor Übereilung, ganz ruhig. Man würde es doch nicht ganz unbedacht
auf einer schwierigen Straße loslassen, wo es möglicherweise die Passanten gefährdet.
Die Pädagogen hätten selbstverständlich gute Übungsfahrräder entwickelt,
die auf einem Stativ befestigt sind, ins Leere drehen, und auf denen die Kinder
ohne Risiko lernen können, sich auf dem Sattel zu halten und in die Pedale zu
treten. Aber sicher, erst wenn der Schüler fehlerfrei auf das Fahrrad steigen könnte,
dürfte er sich frei dessen Mechanik aussetzen.
Glücklicherweise
machen die Kinder solchen allzu klugen und allzu methodischen Vorhaben der Pädagogen
von vornherein einen Strich durch die Rechnung. In einer Scheune entdecken sie
einen alten Bock ohne Reifen und Bremse, und heimlich lernen sie im Nu
aufzusteigen, so wie im Übrigen alle Kinder lernen: ohne irgendwelche Kenntnis
von Regeln oder Grundsätzen grapschen sie sich die Maschine, steuern auf den
Abhang zu und ... landen im Straßengraben. Hartnäckig fangen sie von vorn an
und - in einer Rekordzeit können sie Fahrrad Jahren. Übung macht den Rest.
Quelle:
Celestin Freinet (nach der genauen Quelle wird noch geforscht)
